Kleine Geschichte der Streuobstwerkstatt

Die Geschichte einer Freundschaft zwischen Mensch und Baum

Dies ist eine Geschichte, wie sie das Leben schrieb. Ich möchte sie mit euch Teilen, um all jenen Mut zu geben, die denken, dass das, was ihr Herz möchte, unmöglich umgesetzte werden kann, weil der Kopf sagte, dass dies völliger Blödsinn und nicht machbar sei. Es Zeit auch welche Macht in uns schlummert, wenn wir nur der Stimmer folgen, die eine direkte Verbindung zum Universum hat: Der Stimme des unserer Inspiration und wahren Wünsche. Meine Geschichte begann mit der Birne unten im Bild. 

Wenn Bäume Hochzeit halten

Birnen blühen wunderschön. Ein klares weiß mit anfangs altrosa, später schwarzen Pollenpäckchen. Schöne, große, weiße Blüten! Wir waren frisch nach Schriesheim gezogen. Das war im April 2002 und ich erkundete die Umgebung mit unserem Erstgeborenen im Tragetuch und ging an dieser Birne vorbei. Sie fiel schon von weitem auf in ihrem weißen Hochzeitskleid. Eine wunderschöne, grade gewachsene Birne. Es war lieber auf den ersten blick, der sich auch im Herbst nicht milderte, als ich ihre Früchte probierte und feststellen durfte, dass das eine Mostbirne war: Bitter ohne Ende. So viel Erfahrung mit Birnen hatte ich da noch nicht und stöberte in Büchern, was das für eine Birne sein kann und wozu man so eine adstringierende Birne braucht: Um den Most zu verbessern. Aha. Na gut. Aber schön war der Baum und ich freute mich jedes Mal, wenn ich an ihm vorbeispazierte. 

Radikalschnitt und die trapsende Nachtigall

2003. Mit blieb das Herz stehen. Es war Abend und ich drehte meine übliche Runde durchs Feld. Doch der Baum! Was ist mit ihm passiert? Er wurde tagsüber geschnitten, und zwar auf radikalste Weise! Er hatte nur noch  "Stummelarme". Der Besitzer oder Pächter er hatte ihm einen Radikalschnitt verpasst. Das konnte nicht gut gehen. Ein solcher Schnitt verursachte nur Wasserschosse ohne Ende. Wenn der, dem der Baum gehörte nicht dran blieb, dann.... schwante mir böses für den Baum. Blühen würde er im Frühling sicher nicht.

Und es kam wie es kommen musste und noch schlimmer

Tat er auch nicht. Alle überschüssige Energie setzte er in die Bildung neuer Äste, denn das Wurzelwerk war riesig und zu versorgen hatte er nichts. Ein wenig wirkte er im Sommer wie ein Besen aus Reisig, die man mit dem Stiel voran in die Erde gesteckt hatte. Im Jahr darauf war im Herbst übervoll mit Birnen. Mostbirnen sind Massenträger und die dünnen Äste des Vorjahres konnten die Last nicht halten. Sie brachen reihenweise ob. Als hätte ein Riese den Besen genommen, ihn mit dem Büschel voran auf den Boden gestampft und dann wieder Stiel voran zurückgesteckt in die Erde. Nein, man ist nicht dran geblieben, hatte ihn nicht geschnitten. Er bekam einfach keine Beachtung mehr. Gar keine.  Die ganzen  nächsten Jahre nicht. Und so wurden aus den paar Ästen, die das zweite Fruchtjahr überlebt hatten, dicke, lange, gerade Äste, die in den Himmel ragten, als würde sie um Hilfe rufen. Im Laufe der Zeit wurden die Äste besenstildick und nach 3  Jahren starben sie ab. Die meisten brachen irgendwann in ein Herbststürmen auf 2-3 Meter Höhe ab. Nun wirkte der Baum Poseidons Dreizack, mit vielen toten, in den Himmel ragenden Ästen. Ein Baum, wie man ihn sich zu Halloween wünscht. Er wirkte düster und bedrohlich. So sehr hatte er sich verändert in den letzten 3 Jahren. Da stand ich vor dem Baum und ich weiß nicht, warum ich das sagte, aber es war eine innere Eingebung: "Eines Tages lasse ich dich schneiden und dann bist du wieder ein schöner Baum." Das war 2006.

Ab diesem Moment versuchte ich wann immer ich hier vorbeikam, jemanden auszumachen, der mir sagen konnte, wem dieses Grundstück gehörte oder dieser Baum.  Es war nie jemand zu sehen. Die Gemeinde durfte aus Datenschutzgründen keine Auskunft geben. Ich hing Zettel an den Baum, die keiner beachtet. 

Irgendwann wurde die Branchitunnelzufahrt in Schriesheim gebaut. Der Baum stand nicht weit vom Schuttabladeplatz, der eingerichtet wurde. Lastwagen holperten an ihm vorbei. Er staubte ein. Nach dem Regen sah er aus, als hätte er ein Schlammbad genommen. Mir blutete das Herz. Seine weißen Blüten waren im Frühling schmutzig-grau. Seine sattgrünen Blätter mit einer dicken braunen Staubschicht überzogen, im Herbst konnte man die Birnen nicht von den Blättern unterscheiden: alles war eingedreckt. Der borkige Stamm wirkte wie eine Säule aus Ton, da der Baustellendreck die Risse in der Borke füllte. Das Ganze Grundstück verwahrloste immer mehr. Mittlerweile hatten sich über die Hälfte der Fläche eine dicke Brombeerwüste gelegt. Ich wählte immer öfter eine andere Strecke. Es fiel mir schwer, den Baum und das Grundstück so zu sehen.

Wenn Biologen zum Streuobst-Pädagogen mutieren und Schätze finden

Noch immer hatte ich nicht herausgefunden, wem das Grundstück mit der Birne gehörte. Die Baumaßnahmen am Tunnel waren beendet, eine Streuobstwiese wurde zur Ausgleichsfläche und eine Biologin machte eine Weiterbildung zum Streuobst-Pädagogen. Man lernt in der Uni eine ganze Menge. Malus domesticus, der Apfel. Malus Sylvestris, derWildapfel oder Holzapfel und die ganzen lieben Verwandten aus der Familie der Rosengewächste. Auch die Birne gehört dazu, Pyrus communis. Lustig war die Beobachtung, dass Menschen eher auf Streuobst-Pädagogen ansprechen, als auch Biologe, dabei ist der Biologe wissenmäßig ein großes Stück weite vorn. Aber so kam ich mit den Leuten ins Gespräch und lernte das Sensen mit der Hand - eigentlich wegen unserer Meerschweinchen, damit wir richtig Heu machen können :-)- Das war aber nur einer von vielen Gründen. Ich liebe Obstwiesen schon immer und ich hoffte etwas über "meine" Birne zu erfahren. Ein paar Pomologen lernte ich kennen und die bekamen im Herbst ein paar Mostbirnen, die ich unter der Birne mitgenommen hatte. Gesammet hatte die Birnen in all den Jahren keiner.  Doch kein Pomologe konnte mir bislang sagen, was das für eine Birnensorte ist. Die Vermutung: Einen alte lokale Sorten. Ein Schatz! Sie war mit großer Wahrscheinlichkeit ein echter botanischer Kulturschatz! Ich machte mich auf die Sucher im Feld und fand noch zwei Weiter Mostbirnen, die aber viel kleinere, kreiselförmigere Früchte hatte.  Eine Birne wie sie, fand ich aber im Umkreis von Schriesheim nicht mehr. Sie war einzigartig.

"Eines Tages lasse ich dich schneiden" - es schien mir jetzt wichtiger denn je! Meine innere Unruhe wuchs. Der Baum stand stoisch da wo er immer stand als wollte er sagen: "Ich hab keine Eile. Ich bin ein Baum." Ich musste lachen. Der Baum hatte tatsächlich Humor.

Wenn sich zwei Sensenleute treffen, kann das nur gut werden

Und dann passierte es: Es war Juni. Mähzeit. Dann schnappe ich mir meine Sense, laufe durch den Ot und schmunzel, wenn die Leute mit nachgucken oder mich gar ansprechen, weil ich mit einem so antiquiert erscheinenden Gerät unterwegs bin. Um so erstaunlicher ist es, wenn man einen zweiten Menschen mit einer Handsense trifft. Und das genau auf dem Grundstück mit der Birne! 

Da wurde nicht gezögert. Ich sprach den Herren direkt an und zwei Tage später saßen wir beim Besitzer und der Pachtvertrag wechselte von ihm auf mich über.  Am Abend stand ich vor dem Baum: "Bald ist es soweit mein Freund". Und es schien, als lächelte er zu mir herunter: "Ich hab keine Eile. Ich bin ein Baum."

Zwischen Brombeeren und Streuobstklassen


Brombeere ist mein zweiter Vorname. Erst mal musste ich mir einen Überblick über das Grundstück verschaffen. 700 qm, aber davon lange mindestens 500 unter einer dicken Brombeerteppich. Um so schöner sind  mitunter die Überraschungen, die man darunter findet: Wie eine Ontario-Pflaume, die völlig eingewachsen war und schon stark an Pilzbefall litt. Wie viele Bäume, die schon lange von Brombeeren verschattet werden.  Unter dem ehemaligen Regendach wurde ich schier wahnsinnig, denn hier hatten sich die Brombeeren durch drei dicke Zaunrollen geschlängelt. Es hat drei Tage gebraucht, bis ich da allein die Rollen da heruasgeschnitten hatte und unzählige Pflaster gekostet.

Das Grundstück erwacht zum Leben

Unglaublich. Nach zwei Jahren Bearbeitung der Brombeerdickichte, wuchs Gras und diverses andere Grün. Das Grundstück war soweit betretbar, dass ich hier endlich ein eigenes Grundstück hatte, um meine Schulklassenprojekte durchzuführen. Man ist ja ohnehin gezwungen Grundstücke zu suchen, die an den jeweiligen Schulen liegen, aber die Schriesheimer, die hatten nun meine "Streuobstwerkstatt". Hier musste ich niemanden fragen, keinen beschwichtigen. Ich konnte sogar Sachen vorbereiten, vorher vorbeibringen. Da nichts eingezäunt ist, bin ich ein wenig darauf angewiesen, dass die Leute ehrlich sind (was sie leider nicht sind - auch nicht in Schriesheim). Da ich nun weiß, dass sie es nicht sind, ist das mit dem vorher vorbeibringen auch schon wieder gestorben. Da ich alles mit dem Fahrrad machen, ist das schade.

Doch ab diesem Moment lebte das Grundstück. Bis ein neuer Moment kam. Der Moment, da die Bäume merkten, dass es zwei neue Hobbyimker in er Nähe gab mit einer halben Million Hochleistungsbienen. Das ist. Als würde man die olympischen Sportler ins Seniorenheim schicken, ohne die Senioren irgendwie auf den Besuch vorzubereiten, um dann mit ihnen das olympische Trainingsprogramm zu absolvieren. Richtig: Das ist nicht so gut - für die Senioren.

Eine Streuobstwerkstatt für alle?!

20. Februar 2020. Das Grundstück am Schriesheimer Stadtrand liegt einfach gut. Die Kinder der Kurpfalzgrundschule hatten es zwar ein wenig weiter, aber die Kinder der Strahlenberger Grundschule fanden das Grundstück super. Noch ein wenig verwildert, aber zum Kelten reicht es grade so. Auch der Kindergarten hatte Spaß daran hier den Apfelsaft zu keltern und immer wieder: Eltern. Eltern die wissen wollen, was wir da machen, Eltern die erzählen das ihre Kinder so begeistert nach Hause gekommen sind, Eltern, die Fragen zu ihren eigenen Obstbäumen haben. Ich muss wohl noch ein Projekt starten, in dem nicht nur Kinder, sondern alle kommen können. Das Grundstück wäre ideal, weil es gut zu erreichen ist, aber der Zustand der Bäume... grenzwertig. Die Kinder lasse ich jetzt schon nicht hier an den Bäumen Rindenrubbelbilder machen, nach jedem Wind schaue ich, ob noch alle Bäume stehen, hoffe das niemandem etwas  auf den Kopf fällt. Ich habe zwar schon einige Bäume selbst ein wenig geschnitten, aber die großen Problemzonen liegen über meiner 4 Meter Teleskopsäge. Selbst eine Leiter an die Bäume zu lehnen scheint mir ohne Sicherung bei dem Zustand zu riskant. Da müssen Fachmänner ran. Baumkletter!  Nur das ist teuer. Woher das Geld nehmen? Auf der anderen Seite: es wird für jeden Quark Geld gesammelt. Bei 8 Millionen Deutschen muss es doch ein paar geben, denen Obstbäume auch am Herzen liegen: Der Verein blühende Bergstraße, Streuobstwiesenretter, Landschaftserhaltungsverband... sie alle kommen doch auch irgendwie an ihr Geld. Ein Crowdfunding! Warum nicht? Inspieriert  hat mich dazu Sebastian Jobst und sein Film AMA´ARA, die ihre Finanzierung auch über StartNext laufen lassen.  Ich lasse die Idee mal in mir wachsen, notiere immer wieder was mir einfällt, schaue mir verschiedenen Beiträge in verschiedenen Crowdfundingplattformen an. Meine Wahl fällt auch StartNext, da verspricht Kombacher Naturstart ein 20% Zuschlag, wenn das Projekt erfolgreich ist. Das klingt doch gut. Das nehme ich direkt mit. Ehe ich mich versehen lege ich meine Basisdaten an. Ob ich nicht erst mal eine Nacht drüber schlafe? Ich nutze diese Nacht lieber mir verschiedenen Projekte anzuschauen. Das ist kein Hexenwerk, was da passiert. Das müsste ich auch können... Konjunktiv. Der Teufel ist ein Eichhörnchen.... ich liebe Eichhörnchen. Auf ins Abenteuer. Doch zuerst muss ich erst mal lesen, was man da denn so alles machen muss, braucht, nachweisen muss. Es vergehen ein paar Tage, die Idee muss ja auch noch reifen. 

2 Wochen Filmproduktion im 10 min-Takt der SD-Card

13. März - 29. März 2020. Verrückt, was man so alles macht. Allein die Idee zum Crowdfunding ist verrückt, aber ich probiere gern neues. Also setzte ich mich in jeder Freien Minute hin und überlege mir ein Storyboard. Meine Fotokamera hat 10 min Aufnahmezeit. Einen größeren Speicher habe ich leider nicht. Das kostet ja alles Geld. Es muss auch so gehen. Ich lege mir einzelne Szenen zurecht und warte darauf, dass das Licht einigermaßen passend ist. Beleuchtung? Damit kann ich nicht dienen. Das muss die Natur machen. Hörst du Natur? 

 

Ich fahre insgesamt 20 Mal zum Grundstück, jedes Mal Stativ aufbauen, Testaufnahme mit Selbstauslöser (bin ich im Bild? Irgendwie mittig? Wie ist das Licht? Der Zoom?). Wenn das alles passt, statte ich die Aufnahme und hüpfe lustig vor die Kamera. Wie oft es vorkommt, dass ich mit keiner einzigen brauchbaren Aufnahme nach Hause komme? Oft. Oft ändere ich den Text (weil ich lieber frei spreche)  dann passt das aber mit den Szenen wieder nicht zusammen, oft verquatsche ich mich und muss so die Szene noch mal wiederholen oder der Traktor knattert im Hintergrund. Was mir auffällt: Die Bilder sind gut, das Licht okay, nur der Ton ist ein Problem. Ich hab nur das Mikro des Fotoapparats. Etwas verzweifelt verbringe ich 7Tage mit dem Schnitt. Wie ich es auch drehe und wende, der Ton ist ein Problem. Am Tag acht entscheide ich mich zum Nachvertonen. Synchronsprecher ist absolut nicht meins. Die Bewunderung für solche Leute steigt bei mir ins Unermessliche, nach gefühlten 1000 Versuchen einzelnen Szenen nachzusprechen.... zu schnell, zu langsam, versprochen, falsche Intonation. Irgendwann verlässt mich meine Geduld und ich entscheide, dass das nun passt. Es passt nicht 100 Prozent, aber mein Mann sagt einen schlauen Satz: "Der Charme des Selbstgemachten". Ich hoffe das sehen auch Leute so, die nicht wissen, unter welchen Umständen ich den "Film" produziert habe. 

 

Etwas bitter wird die Fotoabstimmung zu den Fotos die im Bild von den Streuobst-Projekten auftauchen. Einigen Schulen haben damit keine Probleme, andere machen daraus ein riesiges Theater. Ich kann die Bedenken verstehen, aber die Kommunikation könnte auch in einen netteren Ton stattfinden, ich merke wie meine Nerven immer mehr blank liegen. In den Nachrichten wird von möglichen Schulschließungen durch Corona berichtet. Meine Nerven liegen blank. Die gewisser Schulleiterinnen wohl auch. Wir rudern im gleichen Boot, wollen nur das beste Für die Kinder. Während  sich die einen um den Datenschutz der Kinder sorgen, sorgen sich die anderen mehr um Astbruch während der Schulprojekte, der zu Tode führt kann. Ist beides schlimm, wenn schlimm kommt. Ich bleibe geduldig. Schneide auch einzelne Bilder aus dem Bilderbogen, vertonen den ganzen Film noch mal neu... durch den Rausschnitt der Bilder, stimmt die Länge nicht mehr. Die Verzweiflung packt mich. Die Schulen werden geschlossen. Worst Cast. Mein Terminkalender kollabiert von einem Tag auf den anderen.

Die Streuobstwerkstatt auf Startnext

30. März 2020. Geschafft. Das ganze Projekt ist hochgeladen, alle Formularitäten erledigt vom 30.März. bis 30.Mai 2020 kann nur emsig gesammelt werden: www.startnext.com/streuobstwerkstatt

 

Es ist schon ein wenig kurios: Als ich den Film gemacht habe, war die Welt noch eine andere: Corona war noch in China und nur dort. Nun hat es mir meinen ganzen Schulklassen weggenommen, kein einziges Projekt läuft mehr, noch nicht mal die Aktionen vom Geopark. Ich liege auf dem Trockenen.... und lächel lustig in die Kamera und erzähle was von Kinderprojekten. Dabei dürfen die Kinder gar nicht raus. Ob es der richtige Zeitpunkt ist, das Projekt zu starten? Ich weiß es nicht. Ich habe das Projekt zum Lockdown der Schulen  gestartet. Geplant ist das so nicht gewesen, der Zeitraum war bei StartNext schon längst so bestätigt. Ist eben so. Dringender könnte ich das Geld kaum benötigen, denn so ist klar: Ohne eigenen Einnahmen kann ich die Baumpfleger vergessen, kann ich die Streuobstwerkstatt vergessen. Ohne das Geld für Profis kann ich keinen mehr auf das Grundstück lager so eingegeben und wurde zur Erstprüfung aussen. Das ist zu unsicher. Es hat so sein sollen. Wer weiß, was sich daraus entwickelt. Ich hoffe und meine Bitte geht ans Universum, die höheren Mächte, an Gott. 

Chilis retten Birnen oder das etwas andere Guerilla-Marketing


10. April 2020. 120 kleine De Chayenne-Chilis  stehen mitten am Feldrand auf einem Tisch. Sie sind gepflanzt in 120 aus Zeitungspapier über Stunden gefalteten Pflanztöpfchen, daran ein Zettel: "startnext.com/streuobstwerkstatt". Es ist Karfreitag und das Wetter ist schön. Trotz oder gerade wegen der Corona-Ausgangsbeschränkungen sind viele Spaziergänger unterwegs. Kosten tun  die kleinen Chili-Pflänzchen nichts. Auf dem Tisch befestigt ist auch eine Erklärung, wozu das Ganze und ein QR-Code, der einen direkt auf meine Startnext-Seite führt, wo man freiwillig mit einem Beitrag seiner Wahl unterstützen kann. 

 

Und das Ergebnis? Ich hab den Tisch 2 Tage stehen lassen, danach waren 90 Chilis weg. Ich hab zahlreiche schöne Gespräche geführt. Doch nur einer hat 10 Euro über den QR-Code  gespendet. 

 

Fazit: alle nehmen gern was mit, jeder redet gern nett, handeln tun aber nur wenige. Es war mein erster Gehversuch mit Guerilla-Marketing. Eine lustige aber sehr mühsame Erfahrung. Ich hab was gelernt und meine Chilis haben ein neues Zuhause. Die Birne konnte ich davon aber nicht retten.  

Der Notnagel und der Förderantrag-Hammer

24. April 2020. Not macht erfinderisch. Die Not der Bäume macht mich noch viel erfinderischer. Jedes Mal, wenn ich auf dem Grundstück bin, ist es, als würde die Bäume um Hilfe rufen. Die Kirsche hat bereits "pünktlich" zum 10. April und der Guerilla-Chili-Aktion einen großen Leitast verloren. Der liegt immer noch zu ihren Füßen. Die Pflaumen haben Fruchtansätze ohne Ende und die Äpfel blühen wie verrückt und die Unzahl der Bienen die von Blüte zu Blüte fliegen machen mir schon ein wenig Sorge. Es sind dieses Jahr zwei weitere Hobbyimker in der Nähe. Einer mit 15 Bienenkörben (macht bei 20.000 Bienen pro Korb allein von diesem Imker 300.000 Bienen) ! Machen sich die Imker eigentlich Gedanken um die Folgen ihrer arbeitswütigen Insekten? Ich glaube nicht, dass den meisten Imkern bewusst ist, das sie ihre Bienen in einem Gebiet fliegen lassen, in dem die meisten bäume schlecht gepflegt und überaltert sind. Nichts gegen Imker, aber müssen es 15 Körbe so geballt sein? Und das ohne mal Rücksprache mit den Besitzern der Nachbargrundstücke zu halten? 2 Völker ja, vielleicht 3, aber so? 

 

Da das Crowdfunding mehr als schleppend läuft und ich von einigen Crowdfunding-Mitstreitern ähnlich schlechte Crowdfundingraten auf Grund von Corona mitgeteilt bekommen, sehe ich nur eine Hoffnung: Ein Notnagel muss her. Also sitze ich die ganze Nacht und schreibe den Förderantrag für den Landesnaturschutzverband zusammen. Auf dem Grundstück gibt es rund 30 Bäume und jeder einzelne hat ein Problem. Auch wenn "nur" die Schnittmaßnahmen finanziert werden, wäre das Grundstück immerhin wieder betretbar. Und so hoffe ich. Setzte aber im Förderantrag alles auf die Liste. Man weiß ja nie. Im Juli werde ich es wissen.

600 E-Mails und drei winzige Schritte weiter

2. Mai 2020. Das Crowdfunding stagniert. Corona. Nach wie vor. Noch nicht mal 1000 Euro? Es gilt das alles-oder-nichts-Prinzip. Wird das erste Ziel nicht erreicht, bleibt alles Geld bei den Unterstützern. Mein E-Mailverteiler umfasst ja einige Adressen. Es brauchte schon etwas Mut den Großteil davon anzuschreiben, aber das Crowdfunding möchte ich wenigstens zum ersten Ziel bringen. Es bleibe nur noch 29 Tage. Also sitze ich über 3 tage und schreibe mir einen Wolf. Massenaussendungen sind nicht meins. Ich schreibe fast jeden einzeln an, um den persönlichen Bezug herzustellen. Nach drei Tagen bin ich durch. Ich wollte noch die Lehrer, mit der Bitte um Weiterleitung an die Eltern, aber meine effektivsten Multiplikatoren lasse ich aus zwei Gründen außen vor: Ersten haben sie durch die Schulschließungen gerade weder Kopf noch Nerven sich auch noch mit meinen Mails rumzuschlagen, zweites war die Bildfreigabe für den Film schon extrem nervenaufreibend.  Es muss auch so gehen. Response-Rate liegt im Schnitt bei 2 Prozent. Wenn also 12 Leute darauf anspringen und Helfen ist schon viel gewonnen. 

 

Nachtrag: Am Ende sind es 3 Helfer geworden. Einige schreiben mir, das sie Corona-bedingt leider nicht in der Lage sind mich zu unterstützen. Schlechte Zeiten für Umweltbildungsprojekte.

Startnext-Crowdfunding ist abgeschlossen und die Bäume kollabiere

Würfelbruch an der Pflaume: Ein dicker Ast ist auf die Konstantinopeler Apfelquitte gefallen. Zum Glück  stand keiner darunter. Es wird höchste Zeit, dass die Bäume geschnitten werden!
Würfelbruch an der Pflaume: Ein dicker Ast ist auf die Konstantinopeler Apfelquitte gefallen. Zum Glück stand keiner darunter. Es wird höchste Zeit, dass die Bäume geschnitten werden!

31. Mai 2020. Es ist vollbracht! Nach 2 Monaten Crowdfunding in wirklich schwierigen Zeiten, ist immerhin das erste Ziel von 1000 Euro erreicht. Das ist auch höchste Eisenbahn, denn neben der großen Maikirsche ist auch ein Leitast der Pflaume ausgebrochen: Massiver Befall mit Würfelbruch, ein für Bäume tödlicher Pilz. Das Geld reicht gerade um zu retten, was akut in Not ist, dass da die nächsten Monate und Jahre aber immer wieder Not sein wird, das zweifle ich keine Minute an. Doch erst mal rette ich damit, was ich retten kann.

 

Meinen Dank gilt 18 Unterstützern, die zusammen rund 800 Euro zusammengebracht haben. Den Rest zahlte ich aus eigenen Tasche dazu, damit das Ziel doch noch erreicht wurde. 5 von Ihnen bekommen einen wunderschönen Wandkalender.  

 

Mein Dank geht auch an Krombacher Naturstart, im Crowdfunding noch einen 25 % Zuschlag gewährt haben. Das macht noch mal einen Baum extra! Alles hilft.

 

Mein Fazit: Es war schon eine schlechte Zeit für ein Crowdfunding, denn natürlich standen den Leuten die Kneipe in der Nachbarschaft oder das Kino um die Ecke näher. Spendengelder floss daher eher in die durch Corona bedrohten Gaststätten, Restaurants und Freilichttheater, als in ein naturpädagogisches Projekt das sich neu etabliert. Überspitzt könnte man die Spendenbereitschaft mit  "Brot und Spiele", statt "Natur und Bildung" beschreiben. Dennoch oder gerade deswegen gilt mein besonderer Dank jenen 18 Menschen, welche die  Streuobstwerkstatt unterstützen. Ohne sie würde nun auch die Quitte sterben, auf die vor ein paar Tagen der Leitast der mächtigen Pflaume gefallen ist. Ohne Sie würde wahrscheinlich ein zweiter Leitast der Maikirsche herausbrechen, der gerade unter der Last der Kirschen ächts. Doch nun kann ich die Baumkletterer rufen und sie retten lassen, was möglich ist. Mein tiefer Dank! 

Notschnitte dank Startnext und die Erfüllung eines Versprechens


5. Juni 2020. Die Baumpfleger rücken an. Geschnitten wird das Nötigste. Die Kirsche hat einen weiteren großen Leitast verloren, ein Klarapfel ist kollabiert und die große Pflaume ist mit einem dicken Ast auf die uralte Konstantinopeler Apfelquitte gefallen. Fabian Kaufmann, Niko und Tobias von Arboreal Baumpflege, schaffen sich die Problemfälle rauf und runter.  Sechs von 26 Bäumen. Ich atme schon mal auf. So wäre das Grundstück nicht sicher gewesen.  

Unter den 6 "Glücklichen" ist auch... meine alte Mostbirne Birne. Mit stockt das Herz, als ich die Leiter an den alten Baum lehnen sehe und Tobias, wie er oben angegurtet im Baum hängt und die toten Äste heraussägt. Endlich. Endlich. Nach so vielen Jahren erfülle ich mein Versprechen. Die alte Mostbirne wird geschnitten, vom Toten Ballast der letzten Misshandlung befreit. Sie darf wieder ein Baum sein, kein Mahnmal mehr. Nicht für mich. 

Doch an diesem Abend gehe ich noch einmal zum Grundstück, betrachte die Birne sehr lange und kann es nicht lassen: Ich umarme ihren dicken, runzeligen Stamm, schließe die Augen und sage ganz leise zu ihr: "Ich hab es dir ja versprochen. Es hat nur 14 Jahre gedauert, aber ich hab es Dir versprochen." Und für einen kurzen Moment ist mir, als würde der Baum mich zwischen seine Arme und Wurzeln als Teil seines Selbst annehmen und für einen kurzen Buchteil einer Sekunde kann ich ihn hören: "Danke." Das Versprechen, das man einem Baum gibt, ist ein Versprechen ans Universum. Ich bin froh, dass ich es eingelöst habe, oder ist es eingelöst worden, weil ich es versprochen habe? Während ich nach Hause gehen, denke ich darüber nach, doch eines weiß ich sicher: ich bin glücklich.

Die alte Mostbirne wird geschnitten. Das Versprechen das ich ihr vor vielen Jahren gegeben habe, wird endlich eingelöst. Ich bin glücklich.
Die alte Mostbirne wird geschnitten. Das Versprechen das ich ihr vor vielen Jahren gegeben habe, wird endlich eingelöst. Ich bin glücklich.

Die Streuobstwerkstatt erhält eine Förderung zur Baumpflege vom Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg

20. Juni 2020. Und es kam noch besser! Die dringend notwendige Finanzspritze in Form einer Förderung des der Stiftung des Landesnaturschutzverbandes Baden-Württemberg über 3500 Euro zum Schnitt und Nachschnitt von 20 weiteren Bäumen ist bewilligt! Ich bin platt. Ich bin entzückt. Ich bin überglücklich. Es kann losgehen!  Die Stiftung hat einen Teil meines Antrages bewilligt und nun dürfen die Baumkletter-Jungs erneut kommen und ihre Arbeit vollständig beenden.  Damit können auch die restlichen Birnen und Kirschen,  die Boskoop-Apfelbäume, die Quitte und, und, und geschnitten werden. Ferne kann das eine oder andere wild ausgeschlagene Buschwerk weichen, was mehr Licht und Luft auf das  Grundstück bringt - bitter nötig, damit den Pilzen, welche die Bäume bedrohen, ein wenig das Leben schwer gemacht wird.  

 

Mit der Teilförderung ist das Wichtigste an der Streuobstwerkstatt ab September gesichert: die Obstbäume! Alle Obstbäume!  Die Streuobstwerkstatt kann also tatsächlich im Herbst mit dem Keltern des Apfelsafts starten. Wer jetzt schon weiß, dass er kommen möchte, darf mir eine E-Mail schicken, ich werde euch umgehend einladen, sobald der Termin steht.

Baumschnitt die zweite und Geopark die erste.

Wahnsinn. Ich melde mich wieder bei Fabian: "Komm Bäume schneiden! Ja alle Bäume!"

Fabian: "Wann willst du mit der Werkstatt starten?"

Ich: "Am 5. September"

Er: "Dann kommen wir vorher und machen das Grundstück chick."

Und ich denke nur: "Was meint er damit? Etwa was gesamte Grundstück? Ja, das meinte er. Er kam und tat was er sagte.  Er schnitt die verlieben 20 Bäume, räumte zusätzlich bis auf zwei kleine Flächen (ich als Sichtschutz und Vogelhecke erst mal stehen lassen will) alle verbuschten Flächen. Fällte eine Wildkirsche und eine Walnuss, die ebenfalls wild aufgegangen war und verdächtig auf die Pflaumenplantage nebenan neigte.  Das Grundstück atmet auf. Ich atme auf. Mit im Geld drin: Der Nachschnitt in 2 Jahren.

Es folgten einige Mails mit dem Geopark, Terminkoordinieren, Angaben zum Programm, eben "das Übliche".  5. September. Die Werkstatt wird starten!  Ich schicke meine Einladungsmails los und bin aufgeregt wie ein kleines Kind. Die Aufregung wurde durch den Papierkram etwas gemindert, denn ich musste auch für die Stiftung noch die Unterlagen nachbereiten.

Und los gehts!

In kleiner Runde - aufgrund der Auflagen durch den Corona-Virus - startete die Streuobstwerkstatt bei fröhlichen 20 Grad und mit regional bekannten Personen:  Dr. Jutta Weber, Geschäftsführerin des UNESCO Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald fand lobende Wort für das neue Projekt in Schriesheim, dass nahezu alle ausmacht, wofür der Geopark steht: "Umweltschutz, kulturelles Erbe, Sortenvielfalt, Umweltbildung, Nachhaltigkeit." Fadime Tuncer, Kreisvorsitzende der Grünen, stellte sich hernach selbst an die Kelter und maischte Kiloweise Äpfel für köstlichen Apfelsaft. 26 Liter wurden anschließend von den Gästen verkostet und mit nach Hause genommen - zusammen mit vielen Informationen rund um Kelteräpfel und Streuobstwiesen natürlich.

 

Für die Streuobstwerkstatt war es ein schöner Start - zwar ohne Kinder, aber mit sehr interessierten Erwachsenen, die bislang beim Projekt "Die Streuobstwiese - unser Klassenzimmer im Grünen" ja außen vorbleiben mussten. Nun haben endlich Kinder und Erwachsenen die Möglichkeit ihre heimische Kulturlandschaft etwas besser kennenzulernen. Und die Kinder, die kommen sicher das nächste Mal mit.

Nach dieser ganzen Geschichte kannst Du Dir sicher denken, wie ich mich fühle, wenn Menschen das Grundstück "besuchen", dabei ihren Hund überall hinkoten lassen, ihren Müll liegen lassen, Feuchttücher, Windeln, Bäume abbrechen, Gegenstände zerstören oder die Hütte aufbrechen und Spaten und Astschere klauen. Da wird es mir ganz schwer ums Herz. Die Menschheit ist zu mehr fähig.